Heute Morgen las ich diesen Artikel in der New York Times: „No Parade for Hans.“ In dem Artikel schreibt Nicholas Kulisch, dass während amerikanischen Soldaten breite Unterstützung durch die amerikanische Bevölkerung zu Teil wird, die deutschen Soldaten es schwer haben jenseits der hohen Politik, Anerkennung für ihren Dienst zu bekommen. Der Autor schreibt, amerikanische Soldaten hätten ein „psychologisches Sicherheitsnetz“ in ihrem Einsatz – deutsche Soldaten hingegen müssten damit klarkommen, dass die Deutschen in großen Teilen kein Verständnis für ihre Leistung übrig hätten.
Nicholas macht unterschiedliche historische Hintergründe für diese Situation verantwortlich. So hätten die Amerikaner aus dem Vietnam-Krieg, während dem heimkehrende Soldaten oft von wütenden Anti-Kriegs-Gegnern empfangen wurde, gelernt. Heutzutage – und das finde ich interessant – gäbe es einen Konsens, dass die individuelle Leistung und der individuelle Einsatz des Lebens eines jeden Soldaten gewürdigt werden sollte, auch wenn man mit der politischen Stoßrichtung nicht einverstanden ist. Das äußert sich dann, so wie letzten Freitag in einem NBA Spiel, dass ich besuchte, darin, dass im Spiel vier Veteranen mit Standing Ovations gedankt wurde und sie Trikots von den Minnesota Timberwolves geschenkt bekamen. Nicholas schreibt von Reinhold Robbe, dem deutschen Militärbeauftragten im Bundestag (oder so ähnlich), wie beeindruckt es gewesen sei, als er bei einem Besuch von amerikanischen Truppen in Tampa, FL beobachtet hätte wie, fremde Leute einen Soldaten zum Dank auf ein Bier einluden.
Die Deutsche Situation schildert Nicholas hingegen so: Nach dem Zweiten Weltkrieg und unter dem Eindruck der Nazi-Diktatur hätte sich eine pazifistische Grundhaltung in Deutschland entwickelt. Die Bundeswehr sei lediglich eine Verteidigungs- und Puffertruppe gegen die Sowjets gewesen. Deutschland habe erst 1990 wieder an einem Auslandseinsatz teilgenommen und es hätte sich nie eine Unterstützt-die-Truppen!-Mentalität, wie in den USA, herausgebildet. Das führe dann dazu, dass Soldaten im öffentlichen Leben kühl beäugt und manchmal sogar argwöhnisch angepöbelt würden. Das Problem sei, so Nicholas, dass deutsche Soldaten sich nicht sicher seien, ob sie im Interesse ihrer Landleute handeln und oft frustriert darüber sind, dass in Deutschland niemand zu verstehen scheint, dass sie ihr Leben im Ausland riskieren. Warme Worte seitens der deutschen Würdenträger würden nicht ausreichen um die Soldaten psychisch ausreichend zu unterstützen.
Mir stellt sich daraufhin die Frage, ob wir etwas falsch machen, oder ob die Amerikaner ihre Mentalität gegenüber den Streitkräften übertreiben. Ich denke, es gibt vor allem bei vielen Deutschen nicht das Gefühl, dass dort draußen ein Soldat „für Deutschland kämpft“. Und wenn schon, würde man das wollen? Bei den Amerikanern ist diese Frage auch nicht so leicht zu beantworten. Ein Großteil würde die Truppen auch gern bald zu Hause wissen. Interessant ist aber, dass sich die meisten einig sind, dass die Soldaten an sich, unabhängig von der Mission, gestützt werden müssen. So denken bei uns nur wenige. Vielleicht wäre es ja gar nicht schlecht, wenn wir die („unsere“) Soldaten diskursiv in das Herz unserer Gesellschaft zurückholen. Schön und gut, aber wer möchte in der Halbzeitpause eines Bundesligaspiels uniformierte Soldaten auf dem Feld sehen, während der Stadionsprecher ihnen für ihre Leistung in Afghanistan dankt. Würden die Leute aufstehen? Vielleicht nicht. Vielleicht würden sie sogar pfeifen. Ich würde wahrscheinlich dasitzen, mein Maul halten und schwer nachdenken (trotz Bierbecher in der Hand). Denn mir tut es im Grunde Leid für die teilweise armen Schweine in Deutschland und den USA, die bei der Armee ihr Heil suchen, weil sie keine Arbeit finden, ihr Studium finanziert bekommen (besonders in der USA) oder ansonsten einfach keine Perspektive sehen. Soldaten werden mich immer erschrecken, aber ich glaube, dass es da einen Menschen unter der Uniform gibt, dessen Biografie, die zu dem Einsatz führte sehr verschlungen sein kann. Ich denke ein wichtiger Anfang wäre, dass die Politik endlich klar und deutlich sagt, dass die Bundeswehr in einem Krieg kämpft. Das würde bei den Streitkräften und der Bevölkerung in Deutschland zumindest für Klarheit sorgen und einen Teil der jetzigen Doppelzüngigkeit ablösen.
Ein Antwort darauf, ob ein Mentalitätswandel für „unsere“ Soldaten günstig wäre, habe ich nicht. Die Frage über den fairen individuellen Umgang mit deutschen Soldaten an der Waffe im Ausland würde ich aber gern in den Raum stellen. Über Kommentare würde ich mich sehr freuen.
Die Amerikaner kennen es nicht anders, als irgendwo fern der Heimat kämpfen zu müssen. Den wirklichen Volkskrieg hat es bei den Amerikanern zuletzt im 19.Jahrhundert gegeben. Außerdem ist die amerikanische Armee eine echte Söldner-Armee. Darum gibt es in Wirklichkeit kein echtes Verhältnis zwischen dem Volk und der Armee. Es ist nur eine Imitation, die durch gewaltige Propaganda am Leben gehalten wird
Letztendlich steht hier die Frage nach der Beziehung zwischen Militär und Gesellschaft im Zentrum. Diese Beziehung ist in Deutschland historisch äußerst aufgeladen, wie es mir spontan aus keinem andern Land bekannt ist. Ich denke diesen Umstand muss man sich ersteinmal verdeutlichen, gerade wenn man parallel über amerikanische Verhältnisse spricht. Nur zu schnell gleitet man sonst in doch all zu gängig gewordenes US-bashing. Die Kanadier haben beispielsweise erst kürzlich ihren Remembrance Day gefeiert, bei dem Governor-General Jean uniformiert erschienen war. Undenkbar in Deutschland, dass Horst Köhler zu einem militärischen Gedenktag sich Mütze und Ausgehuniform überschmeißt.
Wenn man also über eine ‚Normalisierung‘ der Beziehung zwischen Gesellschaft und Militär in Deutschland reden möchte, ist zuallererst festzuhalten, dass sich Deutschland in einer einzigartigen Situation befindet, historisch durch WWI, Shoa und WWII belastet. Das bedeutet im Gegenzug natürlich nicht, dass beim Bundesliga-Finale ein Geschwader Tornados über das Olympiastadion krachen muss, wie das beim Superbowl schon mal praktiziert wird. Inwiefern bei nun auf sechs Monate verkürztem Grundwehrdienst, der niedrigen Einzugsrate, einer äußerst marginalen öffentlichen Debatte über die Auslandseinsätze in Politik (ganz ohne Diskussion wurde heute die Verlängerung einer Klatte von Einsätzen durch das Kabinett gewunken; mal gucken, ob bis zur Verbschiedung im Bundestag noch was passiert) und Medien (TV-Beiträge zu Afghanistan bspw. kommen 23 Uhr und später bzw. ich finde Artikel über die Bundeswehr in Afghanistan eher auf den Seiten der New York Times , interessanterweise auch Kulish, oder Washington Post) ein Dialog entstehen kann, tja, dazu muss wohl erst ein einschneidendes Ereignis stattfinden, um da etwas anzuschieben. Ich befürchte, dass da auch die baldige Erklärung Obamas zur Afghanistan-Strategie nicht viel beitragen wird.
Wahrscheinlich muss sich jeder Einzelne fragen, welches Bild er oder sie vom Soldaten an sich und dem Militär im Allgemeinen hat, und inwiefern er dieses einem Realitätsabgleich unterworfen hat. Interaktion ist das Zauberwort.
Ist zwar jetzt schon über zwei Wochen alt der Artikel, aber hab ihn eben jetzt erst gelesen…
Ich denke, dass das Bild, das wir vom Militär und „unseren“ Soldaten hier in Deutschland haben wie John schon meinte zum einen historisch bedingt ist, zum anderen sich aber insoweit vom Bild der US-Amerikaner „ihrer“ Soldaten unterscheidet, als dass die Soldaten unter ganz anderen Vorzeichen in Einsätze geschickt werden. So weit ich es überblicken kann, verteidigen US-Soldaten tatsächliche Interessen und Überzeugungen des Volkes in diesen Kriegen, es werden tatsächlich empfundene Bedrohungen bekämpft, das Sicherheitsempfinden ist direkt an eine „starke Truppe“ geknüpft. Auf jeden Fall ist dies so in Afghanistan (Bedrohung durch Osama, Reaktion auf direkten Angriff) und im Irak (Stichwort Massenvernichtungswaffen) so. Die Bundeswehr nimmt an Einsätzen teil, weil bestimmte Bündnisse dies erzwingen – es ist also eine politische Entscheidung, vielleicht eine Vernunftsentscheidung, eine humanitäre Entscheidung, in keinem Fall eine Entscheidung aus einem subjektiven Empfinden heraus. Da ich mich persönlich nicht bedroht fühle (Und ich denke, dass dies für den Großteil der deutschen Bevölkerung gilt.) und ich auch meine Interessen an anderem Orte nicht durchsetzen will, fühle ich mich auch mit dort kämpfende Soldaten nicht verbunden – sie kämpfen nicht für mich. Sie führen einen Job aus, wie jeder andere auch, nur dass sie jeden Tag ihr Leben auf’s Spiel setzen, was es zu keinem „normalen“ Job macht.
Die eine Truppe geht also als „Beschützer“ raus, die andere auf Grund einer Notwendigkeit.
Nicht zuletzt ist die Einstellung zur Truppe auch an das Empfinden gegenüber dem eigenen Land gekoppelt – es ist kein Geheimnis dass in Deutschland Patriotismus im Gegensatz zu (fast) allen Ländern kaum Bedeutung hat.
@ Franz,
Ich sehe das genauso. Die einzige Sache ist, dass die ganze Massenvernichtungswaffen-Sache eine dreiste Lüge war. Insofern hätten die Amis aus der einer Interessen-gelenkten Perspektive nie das rein gedurft.
Ja, unsere Bundis machen einen Job für die anderen. Insofern ist es sowieso fraglich inwiefern die Bundeswehr demokratisch kontrolliert wird. Bündneskram verpflichtet unsere Vertreter dafür zu stimmen. Oje.
Patriotismus ist eben wirklich nichts was uns bewegt, gut so, es ist ein Scheiss-Argument irgendetwas aus Patriotismus heraus zu tun.
Jetzt wird es interessant wie es da unten weitergeht. Obama will in 18 Monaten (!) raus sein. Bin gespannt, wie er es verkauft, dass die GIs danach trotzdem dort bleiben werden. Das ist alles ein Wahnsinn, ne Wahl zwischen Pest und Cholera. Im Grunde müsste das alles viel längerfristig angelegt sein. Aber das wäre politischer Selbstmord.
http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/von-stalingrad-nach-afghanistan/
Wenn ich das lese, wird mir wieder alles klar. Au mann!
Für meine Begriffe hat sich in Deutschland ein umfassendes pathologisches Schuldbewusstsein entwickelt. Angefangen von der Entnazifizierung über die sogenannte Teilidentitätslehre (Sprich: Schuldanerkenntnis als Kriterium zur Einbindung der BRD in das internationale Staatensystem und Anerkennung als souveräner Staat im Gegensatz zur DDR – Der Kniefall Brandts ist ein Effekt dieser Entwicklung und Ulbricht wäre nie auf die Idee dazu gekommen) schließlich die Bewältigung der Geschichte durch die 68er Generation und damit der dauerhafte Einfluss antimilitaristischer Politik in der deutschen Gesellschaft. Das schafft ein Kollektivverständnis, dem wir uns ja eigentlich nach dem dritten Reich entledigen wollten.
Ich möchte nun diese Entwicklung nicht schlecht heißen, doch es lässt sich erkennen, dass sie zu einem gespaltenen Verhältnis zur Wahrnehmung unserer Sicherheitsinteressen geführt hat. So führt die Angst einiger Teile der Gesellschaft, dass deutsche Soldaten wieder Unrecht verüben könnten, mal mehr, mal weniger zur Abkehr von den Soldaten oder sogar zu ihrer Missachtung. Verantwortung wird so verdrängt und dem Parlament und den Soldaten selbst zugeschrieben. Nicht ohne Grund rufen viele nach einer reinen Verteidigungsarmee, weil diese nur im Fall der offensichtlichen Provokation aktiv wird. Dass aber beispielsweise die Sperrung des Suezkanals mit zwei, drei versenkten Tankern und den daraus hervorgehenden Versorgungsengpässen eine lebensbedrohliche Krise für Europa wäre, wird nicht reflektiert. Ich wäre jedem dankbar, der so eine Krise allein mit ein paar Blümchen beilegen könnte, aber auch die Regierung ist sich bewusst, dass Diplomatie ein Werkzeug ist, das Grenzen hat. Man muss verstehen, dass Kriegsführung heutzutage nicht mehr mit Waffengewalt betrieben wird. Auch terroristische Akte sind von ihren Ausmaßen her weitestgehend zu vernachlässigen – es ist schlichtweg nicht möglich uns mit Waffengewalt anzugreifen. Kriegsführung wird durch Unterbindung und Unterwanderung des freien Handels betrieben. Unruheherde auf der Welt bergen so Gefahrenpotenziale, deren wir uns aufgrund unserer Sicherheitsinteressen erwehren können müssen. Unsere Soldaten leisten dazu in Teamarbeit mit US-Amerikanern, Briten, Niederländern, Ungarn, Indern, Türken uvm. einen wesentlichen Beitrag. Da wird im Übrigen nicht jede Armee gerade dort eingesetzt wo Gefahren explizit den eigenen Staat bedrohen.
Diese Mechanismen muss man nicht gut heißen, auch kann man geteilter Ansicht über die konkreten politischen Entscheidungen zu dem einen oder anderen Einsatz sein, aber man muss sich mit etwas mehr Weitblick mit diesem Thema auseinandersetzen, als es bisher in der breiten Öffentlichkeit geschieht. Wer das tut, der wird auch wieder mehr Verständnis für die Aufgaben unserer Soldaten finden und sich ein gutes Stück weit des besagten krankhaften Schuldbewusstsein entledigen können. Nicht zuletzt leisten unsere Soldaten für uns einen hoheitlichen Dienst. Auf die Idee sind sie nicht selbst gekommen, sondern wir geben ihnen durch unser gemeinsames Parlament, den Auftrag dazu. Mehr rechtsstaatlichere Verhältnisse hat es in deutschen Landen nie gegeben und dafür sollten wir auch unseren Soldaten danken, die ihr Leben dafür tapfer einsetzen.
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