Derzeit finden in den USA die commencements—die Abschlusszeremonien—an den Universitäten statt. Tradition will es, dass dabei Berühmtheiten die Hauptrede halten. Neben renommierten Persönlichkeiten aus den Medien, dem Showbiz oder der Wirtschaft, treten dabei auch Politiker auf. Barack Obamas Auftritte an der Arizona State University (ASU) und der University of Notre Dame, eine katholische Universität, haben dabei im Vorfeld für viel Aufruhr gesorgt.
Die Arizona State University, die in dem Bundesstaat des unterlegenen republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain liegt, weigerte sich Obama die Ehrendoktorwürde zu verleihen. Seine Errungenschaften, die eine solche Verleihung rechtfertigen würden, lägen noch vor ihm, so die offizielle Erklärung der Universität. Vor dem Hintergrund, dass Personen die Ehrendoktorwürde bereits erhielten, die weitaus weniger auf ihrem Resumé vorzuweisen hatten als Obama, fand ASUs Entscheidung in den abendlichen Comedy Shows, wie der Daily Show, entsprechenden Spott.
Obamas commencement-Rede an der katholischen University of Notre Dame wurde im Zeichen der Abtreibungsdebatte heftig politisiert. Kritiker warfen Notre Dame vor, Obama ein Forum für seine Politik zu liefern und somit die Anstrengungen der Abtreibungsgegner zu unterminieren. Obamas Position ist, dass Frauen die Möglichkeit haben müssen, sich für eine Abtreibung entscheiden zu können. Während seiner Rede wurde Obama mehrmals von einzelnen Protesten unterbrochen. Die überwältigende Mehrheit der anwesenden Studenten jedoch reagierte mit lauten Buh-Rufen und dröhnenden „Yes, we can!“ sowie „We are ND [Notre Dame]“ Sprechchören und distanzierten sich somit deutlich von den Protestlern.
Obama selbst reagierte gelassen auf die Proteste und vermied es die Diskussion über Abtreibung weiter anzufachen. In dem er darauf verzichtete seine Position zu verteidigen oder gar seine politischen Gegner zu kritisieren, schaffte es Obama, sich nicht im Dickicht der hochpolisierten Kulturkampf-Diskurse zu verlieren. Vielmehr rief er dazu auf, eine zivilere Diskussionskultur zuzulassen, die den Blick auf die inhaltlichen Fragen zu Abtreibung freigibt. Obama führte damit seinen Kurs fort, traditionelle Grabenkämpfe zu umschiffen, Schlammschlachten und aggressive Kampagnen ins Leere laufen zu lassen und somit festgefahrene Positionen aufzuweichen. Mit seinem Auftritt hat Obama einer zweiten Auflage der Kulturkämpfe eine klare und intelligente Absage erteilt.
E. J. Dionne, von der Washington Post, applaudiert Obama ebenfalls für seine entwaffnende Ansprache. Obama habe sich mit seiner bisher konservativsten Rede, so Dionne, nicht im Nahkampf mit den Abtreibungsgegner verstrickt und trotzdem gleichzeitig die Kontroverse zu seiner Rede direkt angesprochen:
Obama’s opponents seek to reignite the culture wars. He doesn’t. They would reduce religious faith to a narrow set of issues. He refused to join them. They often see theological arguments as leading to certainty. He opted for humility.
[…]
Obama gave what may have been both the most radical and the most conservative speech of his presidency. Acknowledging the Roman Catholic Church’s role in supporting his early community organizing work, the president drew on the resources of Catholic social thought. It combines opposition to abortion with a sharp critique of economic injustice and thus doesn’t squeeze into the round holes of contemporary ideology.
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