Letzte Woche nahm Obama erstmalig auf dem OAS-Gipfel (Organization of American States) teil. Die von Washington im Vorfeld angekündigte Lockerung seiner Blockadepolitik gegenüber Kuba schien das dominierende Thema des Gipfels zu werden. Große Wellen schlug jedoch Obamas Aufeinandertreffen mit dem venezuelanischen Präsidenten Hugo Chávez. Vor allem das konservative Lager attackierte Obama scharf. Das Wall Street Journal wirft Obama vor, dass er mit seiner überfreundlichen Begrüßung Chávez helfe Propagandamaterial für den Venezuelaner zu produzieren und somit Oppositionsbewegungen in Venezuela sowie in anderen Regionen unterminiere.
Neben der Begrüßung wurde Chávez’ Geschenk für Obama, Eduardo Galeanos Die offenen Adern Lateinamerikas, ebenfalls zum Politikum. Galeanos Buch ist eine Polemik über die Geschichte Lateinamerikas. Veröffentlicht in 1973 ist es aber nicht einfach nur ein Kind seiner Zeit, geprägt durch den Vietnamkrieg und einer vorherrschend US-kritischen Stimmung. Galeano macht vielmehr auf das oft verdrängte koloniale Kapitel der europäischen und US-amerikanischen Ausbeutung der lateinamerikanischen Menschen und Rohstoffe aufmerksam.
Eugene Robinson, 2009 Pulitzer-Preis Gewinner der Washington Post, kritisiert Obamas Reaktion auf Chávez’ Provokation in moderateren Tönen. Anstatt Obamas breitem Lächeln sei eine klar reserviertere (Körper-) Sprache angebracht gewesen. Ken Silverstein vom Harper’s Magazine macht deutlich, dass die USA versuchen sollte, die interamerikanische Geschichte aus der Perspektive des Südens zu lesen.
Ich bin sehr gespannt, was in zwei jahren über Obamas Außenpolitik der ausgestreckten hand gesagt wird. Bisher bringt er ja nur die Saat aus indem er Achmadinedjad und (Raúl) Castro direkt anspricht und Chávez sogar persönlich trifft. Kim Jong Il wird diese Freude wohl ersteinmal nicht vergönnt sein. Mal sehen was (und ob) er erntet.
Ich musste übrigens etwas lachen und gleichzeitig zusammenzucken, als ich im Economist von vor zwei Wochen las, Obama hätte eine gute Woche gehabt: Sie begann mit einem „counter Carter moment“, als ein amerikanischer Kapitän von Spezialeinheiten gerettet wurde und am Ende drei tote somalische Piraten zurückblieben. Will heissen Obama braucht diese Momente der vermeindlichen Härte um eben nicht als Softie dazustehen und daran zu scheitern, wie sein Vorgänger Jimmy Carter. Diese Vergleichsperspektive schmeckt mir schon wieder nicht – ist einfach zu engstirnig. So ein bisschen wie der Klinsmann-Rauswurf, aber das wäre eine andere Geschichte…