Das American Museum of the Moving Picture hat bereits 2004 ein Online-Museum zur Geschichte der Wahlkampfwerbung in US-Präsidentschaftswahlen eingerichtet. Die Internet-Ausstellung mit dem Titel „The Living Room Candidate“ (Der Wohnzimmerkandidat) entstand vor dem Hintergrund der Wahl zwischen George W. Bush und John Kerry. Zu sehen sind rund 250 Werbefilme, welche den Zeitraum von 1952 bis 2004 abdecken. Ab September 2008 soll das Archiv nun mit den diesjährigen Spots aktualisiert werden.
TV-Werbung stellt den wohl größten Posten in den Wahlkampfbudgets der US-Präsidentschaftskandidaten dar. Sendeplätze zur Prime-Time, wenn Amerika vor dem Fernseher sitzt, sind begehrt und entsprechend finanziell aufwendig. Mit Hilfe dieser kurzen Fernsehfilme werden Geschichten über die Kandidaten, ihre Familien und ihren bisherigen Werdegang in Form einer stimmigen und ansprechenden Erzählung präsentiert oder der gegnerische Kandidat angegriffen. Während der Zuschauer den Spot an sich konsumiert, werden diese Werbefilme außerdem durch das Analyse-Mühlwerk der politischen Nachrichtensendungen und -magazine gedreht. Diese bestimmen zusätzlich Bedeutung, Einordnung und Erfolg der Spots.
Die Online-Ausstellung „The Living Room Candidate“ bietet die Wahlkampffilme sowohl der demokratischen, republikanischen sowie ‚dritter’ Kandidaten an. Diese sind chronologisch, nach Art oder auch nach dem Thema des Spots organisiert. Außerdem ist eine Suchfunktion vorhanden, mit welcher das Archiv nach konkreten Filmen durchsucht werden kann. Neben der Transkription der Spots gibt es eine knappe historische Einleitung zu dem jeweiligen Wahljahr, den Kandidaten und den bestimmenden Themen sowie die Resultate der Wahl. Die Rubrik „The Desktop Candidate“ beschäftigt sich mit der Verwendung von Spots, die ausschließlich im Internet zu sehen waren und listet die Internetseiten der Kandidaten bis zur allerersten Internetwahlkampf-Seite überhaupt (Clinton/Gore, 1996) auf. Unter „Shadow Campaign“ (Schattenkampagne) sind zusätzlich Clips von Gruppen und Organisationen abrufbar, die nicht offiziell mit den Kandidaten verbunden sind.
Interessant sind die Spots jedoch nicht nur aus medienwissenschaftlicher Perspektive. Sie geben ebenfalls einen Einblick in die Themen der Zeit, die die Menschen bewegten sowie das politische Klima, in welchem sie entstanden. So ist ein Wahlkampf-Spot John F. Kennedys von 1960 zu sehen, in dem er gefragt wird, ob er sich in der Lage sähe als Katholik, die Trennung zwischen Staat und Kirche aufrechtzuerhalten. Lyndon B. Johnsons berühmter ‚Daisy’-Spot ist ebenfalls in der Sammlung vorhanden. Zu sehen ist ein unschuldig, in Gedanken versunkenes Mädchen, welches die Blätter einer Gänseblume abzählt, als plötzlich eine mechanistisch-blecherne Stimme einen Countdown herunter zählt, der mit einer Atombombenexplosion endet. Hier wird Johnsons Gegner Barry Goldwater in den Wahlen von 1964 als Gefahr für den Frieden bzw. als Risiko im Kalten Krieg angegriffen. Ein Klassiker der Wahlkampf-Spots ist auch Ronald Reagans ‚Morning in America’. In dem 1984 ausgestrahlten Film erklärt eine beruhigende Erzählerstimme, die mit Bildern aus dem prototypischen Leben einer amerikanischen Mittelklassefamilie unterlegt ist, dass ein neuer ‚Morgen’, der die dunkle Nacht hinter sich lässt und sich dem lebenspendenden Tageslicht zuwendet, nur unter Reagan möglich sei.
The Living Room Candidate: http://livingroomcandidate.org
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